Wegbereiter Oesterreichischer Psychologie

23 ebook - Titel von 35 'physischen' Baenden

ca. 11.600 Seiten

elektronische Titelaufnahmen sind vorhanden.

Die Universitaetsbibliothek Wien wurde im Jahre 1365 gegruendet und ist eine der aeltesten Universitaetsbibliotheken im deutschsprachigen Raum. Das Hauptgebaeude wurde im Jahre 1884 fertiggestellt, der "grosse Lesesaal" (siehe Photo) ist in seinem urspruenglichen Zustand bestens erhalten.

Die Universitaetsbibliothek Wien besitzt das "Pflichtexemplarsrecht" fuer Verlags-Publikationen aus Wien, Niederoesterreich und dem Burgenland. Dadurch enthalten die Bestaende der UB Wien viele Erstdrucke von Verlagen, welche in der Stadt Wien und in diesen beiden Laendern Oesterreichs ansaessig sind.

Was also lag naeher aus einem Zentrum Oesterreichischer Psychologie und der 'Geburtstadt' der Psychoanalyse (wir ignorieren hier mal Entwicklungen in Zuerich) eine ebook-Edition zu veroeffentlichen, mit Inhalten aus Erstdrucken (aber nicht nur) von Autoren, welche als Wegbereiter Oesterreichischer Psychologie gelten koennen.

Unsere ebook - Edition enthaelt Werke von *:

Freiherr Ernst von Feuchtersleben,

Alexius Meinong,

Sándor Ferenczi,

Otto Rank,

Wilhelm Stekel.

Wir finden es interessant, dass aus dem Jahre 1839 ein fruehes Werk von Freiher Ernst von Feuchtersleben  Teil unserer Edition ist, naemlich mit dem interessanten Titel "Ueber die Gewissheit und Wuerde der Heilkunst oder Aerzte und Publikum", erstmals erschienen 1839. Schon frueh begann von Feuchtersleben als Poet zu schreiben, was er auch sein gesamtes Leben fortfuehrte. Im Jahre 1835 erhielt er zudem den medizinischen Doktorgrad, fortan galt er als 'philosophierender Arzt'. In einigen seiner Werke wendet er sich vor allem "an das nicht-aerztliche Publikum", so schrieb er u. a. ein Werk zur "Diatetik der Seele"(1838), was nicht Teil unseres Edition ist. Aus diesen genannten Gruenden sehen wir diesen Autor als einen Vorlaeufer der Oesterreichischen Psychologie an, ein Verstaendnis welches wir mit anderen teilen: “Feuchtersleben was certainly a precursor of the fuller knowledge of psychiatry which we now possess; in addition, he appeared to have had all the qualities of a great physician” (Proceedings of the Royal Society of Medicine, 2. Dez.1953, S. 194).

Das Wirken von Alexius Meinong ist wegbereitend: er uebersiedelte 1882 an die Karl-Franzen-Universitaet in Graz, wo er vor allem mit Franz von Brentano am Psychologischen Institut der Universitaet Graz ein psychogisches Versuchslabor aufbaute. Dort wurden experimentell-psychologische Untersuchungen durchgefuehrt, woraus die beruehmte Grazer Schule der Psychologie erwuchs. Diese Psychologen legten in ihren Theorien-Gebilden der Psychologie vor allem Wert auf Begriffe wie "Ganzheit" und "Psychische Akte", welche wesentliche determinierende Variablen seien, um menschlichen Verhaltens beschreiben zu koennen. Die Grazer Schule wollte wissenschaftlich ueberpruefbare Resultate erzielen - daher jenes Labor - was im Gegensatz steht zu eher philosophierenden Ansaetzen mannigfacher Psychologie-Theorien. Uebrigens war Alexius Meinong der Doktorvater von Christian von Ehrenfels (1859 – 1932), letzterer gilt als Wegbereiter der Gestalts-Psychologie.

Unter dem Begriff Grazer Schule versteht man in der Fachliteratur teilweise auch Oesterreichische Psychologie im allgemeinen, diese Auffassung teilen wir nicht.

Die Wiener Schule der Psychologie umfasst insbesondere Arbeiten von S. Rohracher und Sigmund Freud, beide Autoren sind in unserer Edition nicht verteten.

Neuerdings scheint es interessant zu sein und zu hinterfragen, inwieweit Friedrich Nietzsche "Wegbereiter" der Freudschen Psychoanalyse war: Michel Onfray hat in seinem Buch "Anti Freud, Die Psychoanalyse wird entzaubert" (deutschsprachige Ausgabe 2011), dazu geschrieben. Wesentlich scheint es fuer Onfray zu sein, dass Freud eine inhaltliche Verbindung seiner Psychoanalyse zu Nietzsche's Werk stets versuchte zu verneinen. Mimoun Azizi's Titel argumentiert sogar noch vertiefender in diese Richtung (siehe nachstehend).

Mit Werken von Sándor Ferenczi, Wilhelm Stekel und Otto Rank in unsere Edition haben wir bewusst Titel der Schnittstelle Psychologie und / oder Psychoanalyse publiziert.

Sándor Ferenczi verlor infolge politischer Wirren nach dem I. Weltkrieg und dem Auseinanderbrechen der Doppelmonarchie im Jahre 1918 seine Professur in Budapest, dadurch wurde er mehr und mehr in seinem Wirken isoliert. Dennoch war Sándor Ferenczi von 1918 - 1919 Praesident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IAP), dieses Amt musste er dann aber abgeben an Ernest Jones.

Sándor Ferenczi war auch befreundet mit Otto Rank, beide erarbeiteten im Jahre 1924 die Schrift Entwicklungsziele der Psychoanalyse. Fuer Ferenczi waren besonders - und vielleicht zum ersten Mal in solch Betonung - individuelle Kindheitserfahrungen ins Zentrum psychoanalytischen Interesses gerueckt.

Aus gutem Grund haben wir das zehn Baende umfassende Werk "Stoerungen des Trieb- und Affektlebens" von Wilhelm Stekel in zehn ebook-Titeln publiziert. Obwohl diese Stekel-Werke keine Erstausgaben sind, gehoert Wilhelm Stekel - neben Alfred Adler und Carl Gustav Jung (Zuerich) - unseres Erachtens mit zu den Pionieren, welche anfangs die Entwicklung der Psychoanalyse wesentlich beeinflussten und mittrugen.

Jedoch - und wie so haeufig - kam es zum Zerwuerfnis zwischen Sigmund Freud und Wilhelm Stekel: Stekel widersprach Freud, dass Aktualneurosen ausschliesslich durch sexuelles Fehlverhalten determiniert seien. Darueberhinaus hat Stekel darin Freud uebertroffen, dass er den reinen Bildwert eines manifesten Traumes schaetzte und darauf seine psychologischen Deutungen aufbaute. "'Schlafen" heisst fuer Stekel, die individuelle Vergangenheit zu erleben, die Gegenwart zu vergessen und die Zukunft zu erahnen, dabei gilt noch die jeweilige Traum-Symbolik zu verstehen.

Uebrigens sollen die Freudschen Beziehungs-Abbrueche zu Adler und Jung dadurch entstanden sein, dass beide Autoren das Werk Nietzsches in der Psychoanalyse Freuds "entdeckten", mutmasst Mimoun Azizi (Nietzsche, Freud und die Psychoanalyse, 2017). Dieser Autor schlussfolgert sogar, dass nicht Freud, sondern Nietzsche der 'Entdecker' der Psychoanalyse sei, ohne jedoch das Wort "Plagiat" zu benutzen.

Freud akzeptierte in seinem Lebenswerk also nur zwei - durch "Meinungsverschiedenheiten" bedingte - "Abfallsbewegungen" (S. 91, siehe nachfolgender Titel-Hinweis) gehabt zu haben: naemlich eben jene Abfallbewegungen von Carl Gustav Jung und von Alfred Adler.

Hinsichtlich Stekel meinte Freud jedoch sehr herabwuerdigend "....Stekel sei in der Oeffentlichkeit schwer darstellbar" (aus: Freud, S., Zur Geschichte der psychoanalytischen Bewegung, GW X, S. 90). Leider wurde diese blasierte Auesserung Freuds ueber Wilhelm Stekel in die erste Freud-Biographie von Ernest Jones ungefiltert von jenem uebernommen und dadurch tradiert, sodass schon aus diesem Grunde wir uns bemuessigt sehen, diese wenig respektvolle Freudsche Bemerkung ueber Stekel vermittels unserer ebook-Titel relativieren zu wollen. Und nicht zu vergessen, Stekel war neben Adler Gruendungsmitglied der "Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft"! lnteressanterweise war diese benannt als "Psychologische Mittwochgesellschaft" und nicht als "Psychoanalytische Mittwochgesellschaft".

Andererseits, Meinungsverschiedenheiten begannen schon im Jahre 1910 waehrend des Nuernberger Kongresses bezueglich der Wahl der Praesidentschaft der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung: Freud wollte, dass der "Arier C. G. Jung auf Lebzeiten" (Original-Wortwahl) zum Praesidenten der IPV gewaehlt werden soll, was Stekel und Adler im Zusammenwirken mit den "Wiener Juden der Vereinigung" (Original-Wortwahl) verhinderten.

Otto Rank (sein urspruenglicher Familienname war Rosenfeld, diesen hat er 1909 umgewandelt in Rank) wurde 1905 auf Vermittlung von Alfred Adler als 21-Jaehriger in die Mittwochsgesellschaft eingefuehrt. Rank studierte dann an der Universitaet Wien Germanistik und Philosophie. Otto Rank war innerhalb des noch jungen psychoanalytischen Zirkels in Wien sehr fleissig, was Freud natuerlich gefiel und der "Bewegung" zugute kam: Rank war Mitbegruender und Direktor des Internationalen Psychoanalytischen Verlages, arbeitete frueh am Zentralblatt mit, war Mitarbeiter des Jahrbuchs und Redakteur der Internationalen Zeitschrift fuer aerztliche Psychoanalyse.

Im Jahre 1912 gruendete Otto Rank zusammen mit Hanns Sachs (urspruenglich Rechtsanwalt, danach ebenfalls nicht-aerztlicher Psychoanalytiker wie Otto Rank) die Zeitschrift Imago, Zeitschrift fuer Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften - uebrigens mit ausdruecklicher Unterstuetzung Freuds, der sogar Herausgeber war.

Und Otto Rank schrieb auch die erste nicht-aerztliche / psychoanalytische Dissertation. Man munkelte, Otto Rank sei der "Ziehsohn Freuds".

Ab 1925 fuehrte Freud in sein Theoriengebilde zum "Sexualitaets-Trieb" zusaetzlich einen "Todestrieb" als psychischen Gegenpol mit ein. Dies trug Rank inhaltlich eher nicht mit, andere Epigonen Freuds taten sich ebenfalls schwer mit dieser revidierten Konzeption.

In der Folge distanzierte sich Rank mehr und mehr von Freud, zwischen den beiden kam es zur 'Entfremdung' und fuer Rank wurde "Willenskraft" eines Menschen eine dominierende psychische Variable. Ab 1926 hielt sich Otto Rank oefters in Paris auf, schliesslich emigrierte er in die USA.

Freud war ueber diese Trennung von Rank persoenlich betroffen, warum es aber letztlich zur Trennung Freud / Rank / Psychoanalytische Vereinigung kam, scheint unklar zu sein.

Am 31. Oktober 1939 verstarb Otto Rank in New York unerwartet im Alter von 55 Jahren, einen Monat nach dem Tod seines "Ziehvaters" Sigmund Freud.

Eine Art Nachwort: am 24. April 1932 schrieb Sigmund Freud an Sándor Ferenczi: "Ihr Urteil ueber die Wertlosigeit des groesseren Teils der psychoanalytischen Literatur teile ich nicht, obwohl ich weitgehend Ihre kritischen Ansichten teile. Ohne solches Wiederkaeuen, Wiederkommen in ungezaehlten Abaenderungen, Vermengungen, Verfaelschungen wuerde eine Assimilation des Stoffes nicht vor sich gehen koennen. Ich glaube ja auch nicht daran, dass wir je unsere Ernaehrung mit konzentrierten Naehrpillen werden bestreiten koennen" aus: Katalog der Ausstellung Internationaler Psychoanalytischer Verlag 1919 - 1938, Wien, 1995, S. 5.

 

Anmerkung: *wir haben versucht, Angaben zu eventueller Urheberschaft der einzelen Werke ausfindig zu machen. Sollte unsererseits ein diesbezueglicher Urheber-Fehler auftreten, so moege uns der Urheber kontaktieren um wunschgemaess zu reagieren.


Copyright © 2018 - 2024 BELSER WISSENSCHAFTLICHER DIENST Ltd.

All rights reserved

Share this page